Coronavirus und Gerichtsverfahren

Stand: 28.04.2020

Die aktuelle epidemische Situation, insbesondere die Einführung des Epidemie-Zustands, hat weiterhin einen enormen Einfluss auf die Verfahren in Zivil-, Straf- oder Verwaltungssachen, die wir in Ihrem Auftrag führen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass sich die herrschende Pandemie auch auf die Zulässigkeit und die Art der künftigen Prozessführung auswirken wird.

Nachfolgend haben wir für Sie die Änderungslösungen zusammengefasst, die in dieser Hinsicht durch den polnischen Gesetzgeber eingeführt wurden. Am 31. März 2020 ist das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Sonderlösungen im Zusammenhang mit der Verhütung, Vorbeugung und Bekämpfung von COVID-19, anderen Infektionskrankheiten und zur Bewältigung von durch sie verursachten Krisensituationen - umgangssprachlich als „Anti-Krisen-Schutzschild“ bezeichnet - in Kraft getreten. Kurz danach wurden weitere Änderungen am polnischen Corona-Krisenpaket angekündigt und im Resultat auch durgeführt, so dass ein neues Gesetz - bezeichnet als „Anti-Krisen-Schutzschild 2.0.“ - verabschiedet und am 18. April 2020 in Kraft getreten ist.

Bitte beachten Sie, dass die Situation nach wie vor sehr dynamisch ist, da derzeit auch weitere Änderungen des Gesetzes im Gange sind. Wir werden Sie über Änderungen der Sachlage auf dem Laufenden halten.

Absagen von Gerichtsterminen

Die Verhandlungen in allen Gerichtsverfahren werden im Prinzip bis voraussichtlich 15. Mai 2020 abgesagt. Davon ausgenommen sind Verfahren, die als dringend erachtet werden.. Zu den dringenden Fällen gehören insbesondere Verfahren im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Untersuchungshaft oder von Strafen, die in Strafprozessen verhängt wurden, aber auch die Vernehmung einer Person durch das Gericht im Zuge der Beweissicherung oder die Vernehmung einer Person, gegenüber der die Befürchtung besteht, dass sie nicht in der Hauptverhandlung vernommen werden kann. Letzteres kann insbesondere für ausländische Staatsangehörige bei der Ausreise aus Polen gelten.

Wir prüfen und bestätigen regelmäßig die Absagen einzelner Gerichtstermine, erkundigen uns, ob neue Termine angesetzt wurden, und halten Sie darüber auf dem Laufenden.

Lauf der Verjährungsfristen und sonstiger Fristen in Verwaltung- und Strafsachen

Für den Zeitraum des Zustands der epidemischen Bedrohung oder des Epidemie-Zustands aufgrund von COVID-19 beginnen bestimmte Fristen nach dem Verwaltungs- und Strafrecht sowie in einigen anderen Verfahren nicht zu laufen. Die Fristen, die vor dem 31. März zu laufen begannen, werden jedoch für diesen Zeitraum ausgesetzt. Dies gilt für:

      • Fristen, von deren Einhaltung die Gewährung von Rechtsschutz vor Gericht oder Behörde abhängig ist,
      • Fristen für die Vornahme von Handlungen durch eine Partei, welche Einfluss auf die Rechte und Pflichten dieser Partei haben,
      • Fristen, deren Nichteinhaltung zum Erlöschen oder zur Änderung von dinglichen Rechten, Ansprüchen und Forderungen sowie zum Verzugseintritt führt,
      • Verjährungsfristen,
      • Ausschlussfristen, deren Nichteinhaltung nach dem Gesetz negative Folgen für eine Partei haben kann;
      • Fristen für die Anmeldung eintragungspflichtiger Tatsachen und Tätigkeiten durch Rechtsträger oder Organisationseinheiten, die der Eintragung in das jeweils zuständige Register unterliegen, die eine Meldepflicht an dieses Register begründet, sowie Fristen für die Erfüllung von Pflichten, die für diese Rechtsträger gemäß den für sie einschlägigen rechtlichen Grundlagen gelten – es handelt sich hier insbesondere um Anmeldungen zur Eintragung ins polnische Zentrale Gewerberegister (CEIDG) und polnische Unternehmerregister (KRS),
      • Verjährungsfristen für strafbare Handlungen und für die Vollstreckung der Strafe im Falle von Verfahren wegen Straftaten, Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten sowie von Ordnungswidrigkeitsverfahren.

 

Lauf der Verjährungsfristen und sonstiger Fristen in Zivilsachen

Obwohl der Gesetzgeber beschlossen hat, den Fristenlauf in Verwaltungs- und Strafsachen zu unterbrechen, kam in Zivilrechtssachen keine Fristenunterbrechung in Bezug auf die Verjährung oder andere Fristen, von deren Einhaltung die Erlangung von Rechtsschutz vor Gericht abhängig ist, zustande. Dies gilt insbesondere für die Verjährung von Ansprüchen aus Verträgen, unerlaubte Handlungen und ungerechtfertigte Bereicherung sowie für die Ersitzungsfrist. Dies bedeutet, dass die Klagen oder Anträge an das Gericht, die zur Einhaltung dieser Fristen erforderlich sind, so zu erheben bzw. zu stellen sind, als gäbe es keine epidemischen Gefahrenlage oder keinen Epidemie-Zustand.

Prozess- und Gerichtstermine

In bereits anhängigen Verfahren, einschließlich Zivilverfahren, laufen die verfahrensrechtlichen und gerichtlichen Fristen jedoch nicht für die gesamte Dauer des aufgrund von COVID-19 ausgerufenen Zustands der epidemischen Bedrohung oder des Epidemie-Zustands. Während dieser Zeit beginnen die Fristen nicht zu laufen und die begonnenen Fristen werden unterbrochen. Dies betrifft insbesondere die Fristen für die Einreichung von Schriftsätzen, einschließlich Klagerwiderungen oder Rechtsbehelfe, Einreichung von Unterlagen usw.

Die Unterbrechung von Fristen erfolgt insbesondere in:

    • Gerichtsverfahren (z.B. in Zivil- und Familiensachen),
    • Verwaltungsgerichtsverfahren,
    • Vollstreckungsverfahren,
    • Strafverfahren,
    • Steuerstrafverfahren,
    • Ordnungswidrigkeitsverfahren,
    • Verwaltungsverfahren.

 

Zugangsbeschränkungen zu den Gerichtsgebäuden

Gleichzeitig wird der Zugang der Parteien und Bevollmächtigten zu den Gerichtsgebäuden weiterhin erheblich eingeschränkt. Dadurch sind weder der Zugang zu den Verfahrensakten noch eine Einreichung der Schriftsätze in Poststellen bei Gerichten möglich. Dieser Umstand hat eine gravierende Bedeutung, denn auch für die Dauer der epidemischen Gefahrenlage oder des Epidemie-Zustands, die wegen COVID-19 ausgerufen wurden, was dagegen dazu führte, dass der Lauf der Prozess- und Gerichtsfristen unterbrochen wurde, können ein zuständiges Organ, Gericht oder Rechtsträger einen Verpflichteten auffordern, sich aus den Rechtsvorschriften ergebende Handlungen, innerhalb einer festgesetzten Frist und im bestimmten Umfang, vorzunehmen. Dies kann erfolgen, wenn die Nichtvornahme der Handlungen eine Gefahr für Leib und Leben der Menschen oder Tiere, einen erheblichen Schaden für das Interesse der Allgemeinheit zu Folge haben könnte oder in Anbetracht eines drohenden unwiederbringlichen materiellen Schadens. In einem solchen Fall hat der Verpflichtete seine Pflicht innerhalb der festgesetzten Frist zu erfüllen.

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Wir möchten Ihnen hiermit mitteilen, dass wir - trotz geltender Beschränkungen - unsere Arbeit fortsetzen. Wir sind bereit, Sie weiterhin zu unterstützen, insbesondere im Zusammenhang damit, dass angesichts der Nichtunterbrechung der Fristen in Zivilsachen – ausgenommen Prozess- und Gerichtsfristen in Zivilverfahren, die bereits vor Gerichten anhängig sind, darunter insbesondere der Nichtunterbrechung der Verjährungsfrist für Ansprüche, ist unentbehrlich, dass Ihre Interessen derart geschützt werden, wie es vor dem Ausbruch der Epidemie der Fall war. Derzeit liegen keine Gründe dafür vor, eine Zusicherung zu geben, dass die Nichteinhaltung vor allem der Verjährungsfrist und eine Klageeinreichung nach deren Ablauf von dem Gericht als versursacht durch Umstände, die von Ihnen unabhängig sind, betrachtet wird und dass eine solche Klage nicht abgewiesen wird.

Bei jeglichen Fragen stehen Ihnen unsere Experten der Abteilung für Prozessführung und Streitbeilegung beratend zur Verfügung.

Ansprechpartner
Dr. Wojciech Dubis
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