Gestaltung des landwirtschaftlichen Systems

Am 27.08.2015 unterzeichnete der Präsident von Polen die Novelle des Gesetzes vom 11.04.2003 über die Gestaltung des landwirtschaftlichen Systems. Das Gesetz wird am 01.01.2016 in Kraft treten.

Die wesentlichen Aspekte, die in dieser Novelle geregelt sind, betreffen:

  • das Vorkaufsrecht und die Reihenfolge der dazu berechtigten Personen (Art. 9),
  • die Berechtigung der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien (poln. ANR), landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Mindestfläche von 1 ha in bestimmten Fällen zu erwerben (Art. 10),
  • die Form der Pachtverträge (Art. 12),
  • die gesetzlichen Folgen bei Nichteinhalten der Voraussetzungen bei der Eigentumsübertragung von landwirtschaftlichen Grundstücken (Art. 16),
  • die Beschränkungen der Hypotheken auf landwirtschaftlichen Grundstücken (Art. 19),
  • die Finanzierung der Aufgaben der Staatskasse in Bezug auf das Vorkaufsrecht und die Berechtigung der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien zum Erwerb gemäß Art. 10 des Gesetzes (Art. 21).

Die Vorschriften der Novelle wirken sich in mehrfacher Hinsicht auf den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken in Polen aus.

Einführung der gesetzlichen Reihenfolge der zur Ausübung des Vorkaufsrechts berechtigten Personen
Das Gesetz sieht beim Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks ein Vorkaufsrecht vor, das nach folgender Reihenfolge ausgeübt werden kann:

  • Der Pächter, nach Erfüllung zusätzlicher Bedingungen (der Pachtvertrag wurde in schriftlicher Form für mindestens 3 Jahres abgeschlossen, das Grundstück ist Bestandteil der Familienlandwirtschaft des Pächters oder wird durch eine landwirtschaftliche Genossenschaft gepachtet); In Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb ist wichtig, dass das Vorkaufsrecht auch dem Pächter des gepachteten Betriebes zusteht.
  • Der Einzellandwirt, dessen Grundstück mit dem zu verkaufenden Grundstück benachbart ist, soweit die oben genannte vorkaufsberechtigte Person fehlt oder das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wurde. Haben mehrere berechtigte Personen Interesse an der Ausübung des Vorkaufsrechts, benennt der Verkäufer die Person, die das Vorkaufsrecht ausüben kann.
  • Die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien, soweit die unter 1. und 2. genannten Personen ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt haben.
  • Bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts ist der Erwerb durch andere Dritte zulässig.

Im Hinblick darauf, dass zur Ausübung des Vorkaufsrechts sowohl der Pächter, als auch der Nachbar sowie die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien berechtigt sind, kann das Verfahren zum Erwerb des Grundstücks einige Monate dauern. Gemäß Art. 598 ZGB kann das Vorkaufsrecht innerhalb eines Monats ab Mitteilung des Verkaufs ausgeübt werden.

Das Gesetz sieht zwar auch Ausschlüsse im Hinblick auf die Anwendung des Vorkaufsrechts vor. Sie beziehen sich jedoch nur auf die Vergrößerung des bestehenden Betriebes bis zu 300 ha oder auch auf den Erwerb durch nahestehende Personen, Mitglieder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, Gebietskörperschaften (Erwerb für öffentliche Zwecke) oder die Staatskasse.

Erwerb des Grundstücks gegen Zahlung des Gegenwertes in Geld durch die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien

Sollte die Eigentumsübertragung eines Grundstücks mit einer Mindestfläche von 1 ha aufgrund eines anderen Vertrags als einem Kaufvertrag erfolgen, kann die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien eine Erklärung abgeben, dass sie das Grundstück gegen Zahlung des Gegenwerts in Geld erwirbt (Art. 10).

Form von Pachtverträgen
Die Novelle sieht einige Verschärfungen der Vorschriften bezüglich der Form von Pachtverträgen vor (Art. 12). Der Pachtvertrag bedarf der schriftlichen Form unter Androhung der Nichtigkeit. Soll ein Pachtvertrag für einen Zeitraum von über 5 Jahren abgeschlossen werden, muss er in Form einer notariellen Urkunde angefertigt werden.

Folgen der Nichteinhaltung von Gesetzesvorschriften
Erfolgt die Eigentumsübertragung eines landwirtschaftlichen Grundstücks ohne Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes (z.B. ohne erforderliche Mitteilungen oder Unterlagen), resultiert daraus die Nichtigkeit des Kaufvertrags (Art. 16).

Beschränkungen der Höhe der Hypothek auf landwirtschaftlichen Grundstücke
Die Novelle ändert auch das polnische Gesetz über Grundbücher und Hypothek. Es ist nicht zulässig, dass die Höhe der Hypothek den gemäß den anwendbaren Rechtsvorschriften geschätzten Wert des Grundstücks überschreitet. Damit soll verhindern werden, dass das Vorkaufsrecht aufgrund der der Hypothek ins Leere geht.

Finanzierung der Aufwendungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts und der Berechtigung zum Erwerb durch die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien nach Art. 10 des Gesetzes
Entsprechend dem novellierten Gesetz sollen 30 % der Aufwendungen im Finanzplan des Immobilienbestands der Staatskasse für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien sowie für den Erwerb nach Art. 10 des Gesetzes vorgesehen werden. Das hat zu Folge, dass die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien über eine zusätzliche Finanzierung verfügen wird, die für die Ausübung u.a. des Vorkaufsrechts bestimmt werden kann.

Vor Abschluss des Kaufvertrags hat jeder Erwerber die Herkunft der Geldmittel für die Finanzierung des Erwerbs nachzuweisen sowie eine Erklärung abzugeben, dass er keinen Vorvertrag über das kaufgegenständliche Grundstück abgeschlossen hat. Dadurch soll der Erwerb durch vorgeschobene Personen verhindert werden.

Weitere Neuerungen

  • Beschränkungen der Gründung von großflächigen Landwirtschaftsbetrieben: Neben dem Vorkaufsrecht sieht das Gesetz vor, dass ein landwirtschaftliches Grundstück an einen Einzellandwirt ohne das gesetzliche Vorkaufsrecht nur in solchen Fällen verkauft werden kann, wenn der Einzellandwirt Eigentümer von nicht mehr als Ackerfläche 300 ha ist.
  • Verhinderung der Aufspaltung in zu kleine landwirtschaftliche Flächen: Künftig hat der Landwirt eine Zustimmung des Leiters einer regionalen Abteilung der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien für die Aufspaltung des Ackerlandes (z.B. für Verkaufszwecke) einzuholen. Die Aufspaltung ist zulässig, wenn die dem Landwirt nach der Aufspaltung verbliebene Fläche nicht kleiner ist als die Fläche, die zur Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit notwendig ist. Für das infolge der Aufspaltung entstandene Grundstück muss eine Verbindung an eine öffentliche Straße bestehen.
  • Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken nur durch fachqualifizierte Personen: Im Sinne des Gesetzes sind dies Einzellandwirte, die den Betrieb persönlich betreiben, selbst arbeiten und Entscheidungen treffen, sowie über entsprechende Qualifikationen verfügen, d.h. eine Ausbildung zum Landwirt absolviert und 3 Jahre in einer Familienlandwirtschaft gearbeitet haben.Fehlen die Erklärungen über die Qualifikationen als Landwirt, die Anlagen zum Kaufvertrag über das Grundstück sind, tritt nach Art. 16 die Nichtigkeit des Kaufvertrags ein.
  • Beschränkung bei der Festlegung eines höheren Kaufpreises: Um zu verhindern, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Vereinbarung eines unüblich hohen Kaufpreises beeinträchtigt wird, können Vorkaufsberechtigte die Festlegung des Grundstückspreises durch das Gericht fordern.
  • Grundstückserwerb durch Ausländer: Die in dem Gesetz genannten Grundsätze finden auf den Grundstückserwerb durch Ausländer Anwendung. Als Ausländer gelten im Sinne des Gesetzes über den Immobilienerwerb durch Ausländer natürliche Personen, die nicht die polnische Staatsangehörigkeit besitzen oder juristische Personen mit Sitz im Ausland.
  • Obligatorische Eintragung ins Grundstücks- und Gebäudeverzeichnis: Sämtliche landwirtschaftlichen Grundstücke, die sowohl aufgrund von Kaufverträgen, als auch anderen Verträgen verkauft/veräußert werden, müssen im Grundstücks- und Gebäudeverzeichnis eingetragen werden (Art. 8 und 12).

Fazit
Das novellierte Gesetz führt die Änderung der Erwerbsgrundsätze einerseits durch Einschränkungen hinsichtlich der Aufspaltung von Immobilien und andererseits durch starre Regeln für die Ausübung des Vorkaufsrechts beim Verkauf von Grundstücken ein.

Wird das landwirtschaftliche Grundstück nicht durch die laut Gesetz vorrangig vorkaufsberechtigten Personen gekauft, steht das Vorkaufsrecht am Grundstück kraft Gesetzes der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien zu. Sollte der Transaktionspreis vom Marktwert stark abweichen, kann die Agentur für landwirtschaftliche Immobilien ihr Vorkaufsrecht zum Marktpreis ausüben. Deshalb kann sich das Prozedere zum Erwerb der Agrarflächen erheblich verlängern.

Das Gesetz wird Anfang 2016 in Kraft treten. Zu beachten sind Übergangsbestimmungen, da auf Verträge über die Eigentumsübertragung von landwirtschaftlichen Grundstücken oder deren Teile oder Pachtverträgedie vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, die vorherigen Vorschriften Anwendung finden (Art. 22). Die neuen gesetzlichen Regelungen und Formalitäten können besonders für ausländische Geschäftspartner, die landwirtschaftliche Grundstücke in Polen erwerben möchten, problematisch sein.

Autor: Konrad Schampera